
Bewertung: 4.5 / 5
Mit Die Fabelmans bringt Regisseur Steven Spielberg nicht nur sein bislang persönlichstes und intimstes Werk in die Kinos, sondern einen aufgrund mehrerer Umstände auch ganz besonderen Film. Gelungen ist ihm ein menschliches Meisterwerk über Liebe und die Kraft der Träume.
Die Fabelmans Kritik
Steven Spielbergs autobiografisches Werk über die eigene Jugend: Die Leidenschaft von Sam Fabelman ist das Filmemachen - ein Interesse, das seine kunstbegeisterte Mutter Mitzi schätzt und fördert. Sams Vater Burt hingegen, ein erfolgreicher Ingenieur, befürwortet Sams Arbeit zwar, hält sie aber für nicht mehr als ein Hobby. Doch die Faszination für bewegte Bilder lässt den jungen Sam nicht mehr los. In immer aufwendigeren Filmproduktionen setzt der Nachwuchsregisseur seine Schwestern und Freunde in Szene. Doch als die Fabelmans umziehen und es zu Turbulenzen innerhalb der Familie kommt, muss sich Sam mehr denn je auf seine Liebe zum Kino und die Macht der Filme besinnen, um seine Träume nicht aus den Augen zu verlieren.
Trailer zu Die Fabelmans
Steven Spielberg gilt dank etlicher Meisterwerke und gewonnenen Preisen als größter Regisseur der Filmgeschichte. Dreimal schaffte er es, den erfolgreichsten Film aller Zeiten abzuliefern. In der Liste der erfolgreichsten Regisseure aller Zeiten steht er unangefochten auf Platz 1 mit Einnahmen von 10,6 Mrd. US-Dollar. Der Abstand zu Platz 2 beträgt 4 Milliarden! Und das, obwohl seine größten Hits alle aus einer Zeit jenseits der heute üblichen Milliardengewinne stammen. Dank zeitloser Klassiker wie Der Weiße Hai, die Indiana Jones-Filme oder Jurassic Park, um nur ein paar zu nennen, gehört er auch zu den einflussreichsten Regisseuren, die es je gab. Der Name Steven Spielberg steht wie kaum ein anderer für großes und magisches Kino.
Dabei ist ihm kaum ein Genre fremd, egal ob Science-Fiction, Spionage-Thriller, Abenteuerfilm oder Komödie. Vor zwei Jahren veröffentlichte er sein erstes Musical, ein von ihm lang gehegter Traum. Es ist daher vielleicht auch passend, dass er jetzt mit Die Fabelmans einen Film über seine ganz eigenen Träume, aber auch Traumata, herausbringt.
Dass er persönliche Erinnerungen und Erlebnisse in seine Filme einbaut, ist dabei nicht ganz neu. Schon in Unheimliche Begegnung der dritten Art und E.T. - Der Außerirdische hat er beispielsweise die Scheidung seiner Eltern verarbeitet. Doch mit Die Fabelmans geht er noch einen großen Schritt weiter und liefert im Grunde ein autobiografisches Werk über seine eigene Kindheit und Jugend ab.
Tony Kushner redete schon lange auf Spielberg ein, dass dieser aus seinen Kindheitserinnerungen einen Film macht. Doch Spielberg schob dies jahrelang vor sich her. Bis die Pandemie ihm die nötige Zeit gab, genauer darüber nachzudenken und zusammen mit eben Kushner ein Drehbuch zu entwerfen. Dabei sei erwähnt, dass, laut Spielbergs eigenen Aussagen, alles im Film auf seinen tatsächlichen Erinnerungen beruht. Nichts wurde dazu erfunden.
Wer aber denkt, Die Fabelmans sei eine Selbstbeweihräucherung, der irrt. Spielberg erzählt offen und ehrlich von seiner Jugend, seinen ersten Schritten als Regisseur, schweren Zeiten in der Schule und dem Zerbrechen der Eher seiner Eltern. Er tut dies, ohne jedoch Anklage zu erheben oder jemandem die alleinige Schuld zuzuschieben. Trotz der Thematik ist der Film vor allem auch eine Liebeserklärung an seine Eltern. Und es ist vor allem diese Liebe, welche Spielberg in den Film gesteckt hat, die man dem Film anmerkt.
Das klingt jetzt erst einmal alles nach einem einfachen Familiendrama, doch Die Fabelmans ist dann eben doch mehr. Es ist in Teilen ein ruhiger und intimer, auch sehr emotionaler Film, doch verzichtet er nicht auf Spektakel und Filmmagie, wie man sie von einem Spielberg kennt. Wie der junge Sammy (also Spielberg) seine ersten Filme dreht, dafür auch regelmäßig seine Schwestern vor die Kamera zerrt, ist schon beeindruckend anzusehen. Dabei bedient der junge Filmemacher sich für so manchen Trick einfachster Methoden, die gleichzeitig genial sind. Man spürt es dem Film an, dass Spielberg es sichtlich genoss und Spaß daran hatte, seine einstigen Amateur-Filme für Die Fabelmans zu rekonstruieren.
In den letzten Jahren kamen einige Filme über Hollywood oder das Filmemachen heraus (Once Upon a Time... in Hollywood, Babylon - Rausch der Ekstase, Mank etc.). Die Fabelmans aber hebt sich von diesen Werken ab. Vielleicht gerade deswegen, weil Spielberg hier diesen sehr persönlichen Ansatz wählt. Und weil es eben nicht um Hollywood-Politik, das Scheinwerferlicht oder ähnliches geht, sondern schlicht und einfach um den Traum eines Jungen und seine Leidenschaft fürs Drehen.
Doch den Kern des Films bildet stets die Familie. Und die wächst einem wirklich ans Herz. Dies liegt vielleicht daran, dass es sich hier um Spielbergs eigene Familie handelt und er es deswegen schafft, sie so real und so nahbar wirken zu lassen. Und auch so liebevoll, trotz einiger negativer Dinge, die passieren. Es ist bekannt, dass seine Eltern sich haben scheiden lassen, natürlich ist auch das hier ein Thema. Und auch wenn der eine vielleicht etwas mehr Schuld daran trägt als der andere, ist man am Ende niemandem böse. Beide Elternteile werden von Spielberg gut charakterisiert und wunderbar von Paul Dano und Michelle Williams gespielt. Wir lernen diese sehr unterschiedlichen Menschen kennen und verstehen und am Ende möchte man beiden einfach das Beste wünschen.
Diese beiden bilden dann im Film auch zwei Seiten einer Medaille ab: Er ist der geniale, etwas steife Wissenschaftler bzw. Techniker, der von seinem Sohn eine eher praktischere und realistischere Richtung fürs Leben wünscht, statt an einem Hobby festzuhalten. Sie dagegen ist die verträumte Künstlerin, ein Freigeist, die ihren Sohn dazu ermutigt, seinen Träumen nachzujagen. Am Ende ist es wohl wie so oft, und der Sohn bedient sich am besten von beiden.
Nicht nur inhaltlich, auch was die Inszenierung betrifft, ist Die Fabelmans von Anfang bis ganz zum Schluss ein Spielberg-Film. Und vielleicht ist es aufgrund der Thematik kein Zufall, dass auch hier beide Seiten von Spielberg aufeinandertreffen. Zum einen der Mann der sicheren Inszenierung, der ganz genau weiß, was er tut, ein absoluter Meister seines Faches, dem wir Filme wie Schindlers Liste oder Lincoln verdanken. Auf der anderen Seite der verspielte Regisseur, dem wir einige der größten Momente der Kinogeschichte verdanken, der auch mal etwas Verrücktes tut und dem man den Spaß am Filmemachen durch seine Filme anmerkt.
In Die Fabelmans wird es zwar nicht ganz so verrückt wie in einem Indiana Jones-Film, dennoch bietet der Film viele tolle Szenen. Manche sind herzerwärmend. Andere herzzerreißend. Manchmal kommen einem die Tränen, und dann gibt es auch einiges zu Lachen. Und in ein oder zwei Szenen könnte man sogar applaudieren. Und am Ende bricht Spielberg für einen ganz kurzen Moment sogar einmal die vierte Wand, um jemanden wissen zu lassen, dass er zugehört und gelernt hat. Die Fabelmans ist auch eine Verbeugung vor all den Menschen, die Steven Spielberg zu dem Menschen und Regisseur gemacht haben, der er geworden ist.
Vielleicht ist es gerade deswegen passend, dass Die Fabelmans auch ein Abschluss ist, das Ende einer langen gemeinsamen Reise, die Hollywood und Kinobesucher auf der ganzen Welt geprägt hat. Unsere Kindheit, eure Kindheit und noch viele Kindheiten, die kommen werden. Am 20. Juni 1975, also vor beinahe 50 Jahren, erschien Der weiße Hai in den US-Kinos. Und ob man den Film gesehen hat oder nicht, eines kennen alle: Da-dum… Da-dum… DaDumDaDumDaDum. Wir alle kennen diese Musik. Der weiße Hai war die erste gemeinsame Zusammenarbeit zwischen dem damals 28-jährigen Steven Spielberg und dem damals 43-jährigen Komponisten John Williams. Und in den folgenden fast 50 Jahren sollten sie unzertrennlich sein und gemeinsam Hollywood-Geschichte schreiben. Denkt man an Spielberg-Filme, denkt man gleichzeitig auch an die Musik von John Williams. Es ist die perfekte Symbiose.
Williams ist inzwischen 91 Jahre alt und hat im letzten Jahr bekannt gegeben, zukünftig nicht länger als Filmkomponist zu arbeiten. Mit dem Soundtrack zu Indiana Jones und der Ruf des Schicksals wird er wohl seinen Abschied feiern. Wodurch Die Fabelmans die letzte Zusammenarbeit zwischen Spielberg und Williams darstellt. Es ist das Ende einer der erfolgreichsten Kooperationen in der Filmgeschichte.
Die Fabelmans ist kein Film für jedermann. Die Meinungen sind daher recht unterschiedlich. Banal und langweilig für die einen, bezaubernd und magisch für die anderen. Es liegt an euch, zu entscheiden, wo ihr euch einordnet. Unsere Meinung dürfte klar sein. Die Fabelmans ist Spielbergs Verbeugung vor den Menschen, die ihn geprägt haben. Ein magisches Werk über die Leidenschaft eines Jungen, der seine Träume verwirklichen durfte. Der persönlichste und intimste Film des vielleicht größten Regisseurs, den die Welt je gesehen hat.
Wiederschauwert: 100%
