
Das Leben als Filmkritiker ist nicht leicht, und das liegt nicht daran, dass derzeit im Zuge von Covid-19 keine neuen Filme im Kino starten, die man bewerten darf.
Nein, es geht eher um die Last der Vergangenheit, die man auf seinen Schultern trägt und die mit jeder Bewertung schwerer wird, die man abgibt. Kaum ist eine Kritik veröffentlicht, muss man sich Jahr für Jahr erneut dafür rechtfertigen und Kommentare wie "Film XY habt ihr aber so bewertet!" anhören.
Natürlich sind diese Kommentare durchaus berechtigt, aber nicht selten blenden diese den Umstand aus, dass Filme von unterschiedlichen Leuten bewertet werden oder sich der betroffene Kritiker im Laufe der Jahre auch verändert und weiterentwickelt. Die Bewertungsmaßstäbe sind nicht in Stein gemeißelt und verändern sich mit der Anzahl der Filme, die man gesehen, bewertet, für gut oder schlecht befunden hat.
Doch darum soll es heute nur am Rande gehen. In diesem Special wollen wir uns auf eine Handvoll Filme konzentrieren, bei denen wir unsere Kritiken von einst in ganz anderem Licht sehen und uns ernsthaft selbst fragen müssen, was wir uns bei der Bewertung nur gedacht haben. Die Gründe hierfür können vielfältiger Natur sein und welche das sind, verraten wir euch jetzt.
Lockout

Guy Pearce und Maggie Grace in einem knallharten Actioner im Weltraum. Die Trailer witzig, die Stimmung bei der Pressevorführung ausgelassen und entsprechend gestaltete sich im Anschluss auch die Kritik an den 2012 veröffentlichen SciFi-Actionfilm Lockout. Damals standen wir voll hinter dieser Bewertung, denn die Erstsichtung hat wirklich Spaß gemacht.
Aber da wären wir schon bei den typischen Dilemmata eines Kritikers. Wir haben nur einmal die Gelegenheit, den Film vor der Veröffentlichung zu sehen. Der Ersteindruck und die Tagesform entscheiden und wir bekommen nicht zwingend die Fassung zu sehen, die die meisten von euch im Kino erleben. Während Kritikern oft die Originalversion gezeigt wird, schaut sich die Mehrheit von euch den Film in einer synchronisierten Fassung an. Und da liegt der Hund bei Lockout begraben, denn als wir uns Monate später die deutsche Fassung anschauten, trauten wir unseren Ohren kaum. Der Flow ging verloren, die zuvor übersehenen Schwächen traten dafür nur umso stärker in den Vordergrund.
Die vier Hüte von einst aus dieser Perspektive untragbar, 2,5 Hüte mit einem zugedrückten Auge wären da durchaus realistischer gewesen.
"Lockout" Trailer
Sabotage

Manchmal so, ein andermal ganz anders und das Pendel kann durchaus auch in eine andere Richtung schwingen. So geschehen 2014 bei Sabotage. Das Comeback von Arnold Schwarzenegger im Jahr zuvor wollte nicht so richtig zünden und an die Erfolge von einst war nicht zu denken. Für einen Actionfilm wie Sabotage war Arnie aber genau richtig. Oder doch nicht?
Irgendetwas lag uns quer und die Kritik ist aus heutiger Sicht nicht nur etwas zu scharf formuliert. Heraus kamen Aussagen wie "Verstärkt wird dies vor allem durch Szenen, die oft nur abstoßen, aber nicht berühren. Dies liegt an der schrecklichen Charakterzeichnung, die der Zuschauer ertragen muss. Trotz Arnie in der Hauptrolle, trotz des sonst total weichen, aber hier auch mal kernigen Sam Worthington, trotz Lost-Reunion von Harold Perrineau und Josh Holloway, der Funke will nicht auf den Zuschauer überspringen.". Nein, so schlecht ist Sabotage nicht, wie wir damals dachten, aber es bedurfte hier der einen oder anderen erneuten Sichtung der deutschen Fassung.
Statt der viel zu wenigen 2 Hüte würden wir dem Actionfilm heute eher 3,5 Hüte geben. Wir haben ihn mögen und schätzen gelernt.
"Sabotage" Trailer 2 (dt.)
Codename U.N.C.L.E.

Nicht immer muss eine Bewertung komplett entarten und zu kritisch oder zu überschwänglich sein. Manchmal ist sie auch ganz passend für einen Film, mit der Zeit verändert sich aber doch die Wahrnehmung. Codename U.N.C.L.E. ist dafür ein gutes Beispiel, denn mit vier Hüten hatten wir den Film von Guy Ritchie gut bewertet und daran gibt es nichts zu rütteln. Doch manchmal sind es eben nur Kleinigkeiten, die einen als Kritiker nach einer Weile und mehreren Sichtungen stören.
Und so ist uns im Laufe der Zeit Codename U.N.C.L.E. immer mehr ans Herz gewachsen, genau genommen mit jeder Sichtung, die wir vornahmen. Jedes Mal entdeckten wir neue Kleinigkeiten, Humorspitzen oder gut gedrehte Szenen, die zuvor einfach untergegangen sind und das in Kombination mit einem starken Soundtrack. Für uns ein echtes Qualitätsmerkmal. Dabei würden wir die Bewertung nicht einmal zwingend erhöhen, sondern nach Tagesform schwanken wir heute ebenfalls zwischen 4-4,5 Hüten.
Aber dass uns damals diese unterschwellige Qualität des Films nicht aufgefallen ist, nagt an uns. Daher empfehlen wir den Film jetzt einfach noch mal an alle, die ihn nicht kennen, aber Guy Ritchies Stil mögen.
"Codename U.N.C.L.E." Trailer 2 (dt.)
Mission: Impossible - Rogue Nation

In die gleiche Kerbe wie die Männer von U.N.C.L.E. ist auch Mission: Impossible - Rogue Nation aus dem Jahr 2015 einzuordnen. Auch hier liest sich die Kritik mit vier Hüten wirklich gut. Doch wie schon bei Codename U.N.C.L.E. würden wir ebenfalls inzwischen etwas höher gehen und wollen festhalten, dass die Tendenz eindeutig nach oben gerichtet ist.
Das liegt daran, dass uns auch Mission: Impossible - Rogue Nation bei jeder neuen Betrachtung ein Stück besser gefällt. Die Action sitzt, das Tempo ist genau richtig und als Zuschauer wird man mehr als gut unterhalten. Dass die vorhandene Spannungskurve auch nach wiederholter Betrachtung nicht abreißt, spricht für das filmische Ergebnis und sorgte dafür, dass wir uns riesig auf Mission: Impossible - Fallout gefreut hatten.
Hier drehte sich der Spieß dann um, denn während Mission: Impossible - Rogue Nation in unserer Gunst stetig stieg, gab es für Fallout den Abstieg.
"Mission: Impossible - Rogue Nation" Trailer 2 (dt.)
Resident Evil - Afterlife

Lasst uns nun ein ganz heißes Eisen anfassen: Resident Evil - Afterlife aus dem Jahr 2010. Ein Film noch aus den frühen Zeiten der MJ-Kritiken. In der Kritik vergaben wir 3 Hüte, und verglichen mit dem, was Paul W.S. Anderson danach ablieferte, mag das sogar gerechtfertigt sein. Doch ändert dies nichts daran, dass wir uns bis heute für diese Bewertung schämen, denn verdient hat es dieser Film ganz sicher nicht.
Klar geht es noch viel schlimmer, aber das darf bekanntlich nicht der Maßstab sein. Wir waren hier einfach zu wohlwollend und das ist uns bei der späteren Neusichtung mehr als deutlich geworden. Ein paar Jahre später versuchten wir dann den Schaden bei der Kritik zum Nachfolger zu begrenzen und Abbitte zu leisten ... was für ein Stich in ein Wespennest. Der gute alte jerichocane warf uns sogar vor, dass hier ein Autor über die Kritik eines anderen Autors herzog. Aber nein, beide Rezensionen stammten aus derselben Feder. Es war uns einfach peinlich und es stimmt auch, wir mögen Paul W.S. Anderson nicht. Dies liegt nicht an seiner Person oder dass er jeden Film mit seiner Frau in der Hauptrolle besetzt, sondern einfach nur weil er inzwischen bestenfalls mittelmäßige Filme abliefert.
Resident Evil - Afterlife hätte jedenfalls höchstens 2,5 Hüte verdient, die Nachfolger deutlich weniger.
"Resident Evil 4" Trailer
Piranha 3D

Kommen wir zu einem weiteren heißen Eisen, denn für Piranha 3D müssen wir noch heute Rede und Antwort stehen. Als wir im Sommer 2010 grinsend aus dem Astor-Kino in Berlin kamen und dem Film volle fünf Hüte gaben, konnten wir nicht ahnen, dass wir uns selbst heute noch für diese Bewertung rechtfertigen müssen bzw. auf Basis dieser Bewertung bis heute Quervergleiche zu völlig anderen Filmen gezogen werden.
Dabei haben sich im Laufe der Zeit nicht nur unser Bewertungsmaßstab und die Herangehensweise deutlich geändert. Hinzu kommt, dass Piranha 3D eine unserer frühen Kritiken ist. Genau genommen ist an der Kritik selbst nicht einmal viel auszusetzen, denn wir hatten schon damals genau begründet, warum wir diesen Film so hoch bewertet haben. Er liefert genau das, was er liefern will und zeigt äußerst effektiv, wie Piranhas verdutzte Badegäste fressen. Unter den richtigen Umständen würden wir auch heute noch (ähnliche) Filme hoch bewerten, wenn diese Bedingung erfüllt ist. Natürlich sind wir aber damals aus Unerfahrenheit Schrägstrich Begeisterung etwas über das Ziel hinausgeschossen und sind mit 5 Hüten heute deutlich sparsamer als einst unterwegs.
Es finden sich schon so manche Kritikpunkte, die die damalige Bewertung etwas zu hoch erscheinen lassen und Stand heute halten wir 3,5-4 Hüte auch für realistischer. Aber wir waren jung und brauchten das Geld (oder so ähnlich).
"Piranha 3D" Trailer
Dunkirk

Wenn wir uns unsere Kritiken anschauen, dann sind wir im Nachhinein oft mit den Bewertungen unglücklich, bei denen wir in den Kritiken sowieso schon polarisiert haben. Dabei kann man auf den ersten Blick wieder wenig an den 3,5 Hüten an Dunkirk aussetzen, wäre da nicht der Fakt, dass es sich um einen Film von Christopher Nolan handelt - und die haben bekanntlich immer mindestens 4,5 Hüte verdient, oder?
Nein, tun sie nicht. Und auch wenn wir in unserer damaligen Kritik schon deutlich auf die Schwächen des Films eingegangen sind, flossen diese nicht stark genug in die Endbewertung ein. Denn natürlich gaben wir Dunkirk wie bei fast jedem Film eine zweite Chance mit einer erneuten Sichtung. Leider hat dies nichts gebracht und die negativen Aspekte noch mehr unterstrichen. Kalt, emotionslos, mit einem pochenden, aber auch enervierenden Sound. Klassisch Style over Substance, wo dem Regisseur die Darstellung wichtiger ist als der Inhalt. So würden wir heute Dunkirk auch heute noch beschreiben.
Optisch wie jeder Film von Nolan ansprechend, aber inhaltlich komplett leer und mehr als 2,5 Hüte wären da heute für uns nicht mehr drin.
"Dunkirk" Trailer 2 (dt.)
Black Panther

Wir sehen sie schon kommen, die Kommentare, dass wir uns für dieses Special ja nur Filme rausgesucht haben, um erneut zu polarisieren. Doch dies stimmt nicht, auch wenn wir mit diesem MCU-Beitrag bestimmt wieder in ein Wespennest pieken werden. 4 Hüte gab es 2018 von uns für Black Panther und die Masse der Leser war damit einverstanden, ging sogar teils noch viel höher.
Doch nachdem wir uns im Sommer desselben Jahres den Film noch einmal gaben, fehlte uns etwas. Einzelne Qualitäten waren nicht von der Hand zu weisen, aber dennoch gab es zu viele Nicklichkeiten, die ein vollumfängliches Wohlfühlgefühl nicht zulassen wollten - und da waren die streckenweise miserablen Trickeffekte für einen Blockbuster dieser Größenordnung noch das kleinste Problem. Es war das Zusammenspiel mit einer grundsätzlich guten Idee, die aber durch ein mittelmäßiges Drehbuch zunichtegemacht wurde.
Mehr als 3 Hüte würden wir Black Panther heute nicht mehr geben.
"Black Panther" Trailer 2 (dt.)
Batman v Superman

Wir nähern uns langsam dem Ende des Specials und da darf natürlich Batman v Superman - Dawn of Justice nicht fehlen. Bis heute handelt es sich bei unserer Kritik zum Film mit weitem Abstand um die Kritik, die am meisten Aufrufe und Kommentare provoziert hat. Nur 2,5 Hüte gab es 2016 für diese Comicverfilmung und diese Bewertung trifft auch heute noch uneingeschränkt zu.
Nur hat die Sache einen Haken, sie bezieht sich auf die Kinofassung, und sind wir ehrlich, wer will die heute noch sehen?! So stellt Batman v Superman - Dawn of Justice in diesem Special auch einen Sonderfall dar, denn es zeigt, dass sich manchmal nicht die Wahrnehmung ändert, sondern die Fassung des Films. Und mit der im Heimkino veränderten Langfassung änderte sich eine Menge. Aus Batman v Superman - Dawn of Justice wurde zwar kein Meisterwerk, aber die ungeschnittene Vision von Zack Snyder machte aus dem Werk einen richtig guten und fast schon epischen Film.
Zwar konnte auch diese Fassung nicht alle Kritikpunkte beseitigen, aber diese wiegten weit weniger schwer und rechtfertigen locker 4 Hüte. Vielleicht gelingt dies im kommenden Jahr auch noch mal mit der Justice League!
"Batman v Superman - Dawn of Justice" Trailer 4 (dt.)
Battleship

"So viele Hüte für Battleship , seid ihr denn von Sinnen?"
Sicherlich haben jetzt viele von euch genau auf diesen Film gewartet und wollen von uns nun genau die magischen Worte hören, wie sehr uns doch die Bewertung von Battleship leidtut. Darum macht euch bereit, hier kommt die Wahrheit:
Es tut uns unheimlich leid, aber wir würden Battleship heute sogar noch höher bewerten!
Ja richtig gelesen, auch acht Jahre nach seiner Veröffentlichung haben wir noch unglaublich viel Spaß mit diesem Film. Auch wenn viele im Vorfeld veröffentlichte Ideen von Regisseur Peter Berg nur am Rande bemerkbar sind, so ist es purer Leinwandfun. Welcher Film bietet denn schon mal Schlachtschiffe?! Vielleicht ist es das Kind in uns, aber Battleship ist kein Film für den gehobenen Filmabend, sondern soll in erster Linie Spaß machen und das macht er. Die Fortsetzungen hätten wir zu gern gesehen, leider wird das immer ein Traum bleiben.
Daher könnt ihr uns gern auch in Zukunft auf diesen Film festnageln, aber wir stehen dazu: MJ ? Battleship.
"Battleship" Trailer 2 (dt.)
So, dies waren ein paar unserer Kritikersünden, die wir heute mal besser, mal schlechter bewerten würden. Wie sieht es bei euch aus? Bei welchen Filmen oder Serien ist es euch ähnlich gegangen? Verratet es uns in den Kommentaren!